Die Entwicklung meiner Preisgestaltung als Fotografin
Beim ersten Kontakt am Telefon oder per Email wird mir die Frage nach dem Preis oft im ersten Satz gestellt. Ich verstehe, dass diese Antwort für meine Kunden von größtem Interesse ist. Sehr oft denken die Kunden allerdings nicht darüber nach, wie sich die Preise zusammensetzen oder können es sich zumindest nicht vorstellen. In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal umfassend darstellen, wie sich meine Preise zusammensetzen.
Geschäftsmodelle in der Fotografie
Wie in jedem Business, so gibt es auch der Fotografie verschiedene Geschäftsmodelle. Nachfolgend beschreibe ich anhand von zwei Modellen, die ich selbst erfahren habe, welche Unterschiede es darin gibt und was mir dabei wichtig ist.
Shoot and Burn
Shoot and burn bedeutet in der Fotografie so viel wie Fotografieren und die digitalen Dateien an die Kunden weitergeben. Das Fotoshooting findet statt und danach lädt der Fotograf die Bilder auf seinen Computer, bearbeitet sie eventuell und schickt sie dann digital seinen Kunden. Diese Fotografen verkaufen digitale Dateien, keine Fotoprodukte oder Ausdrucke. Viele Fotografen, die gerade in der Fotografie starten, beginnen mit diesem Geschäftsmodell.
In Person Sales
Ein weiteres Geschäftsmodell in der Fotografie ist der In Person Sale. Das heißt, dass der Fotograf seinen Service vom ersten Gespräch mit dem Kunden anbietet und fertige Ausdrucke, Wandbilder, Alben, etc. verkauft. So gibt es bei diesem Geschäftsmodell meist ein Vorgespräch mit Beratung, das Fotoshooting, den Termin zur Ansicht der Bilder und Bildauswahl sowie die Lieferung.
Vor- und Nachteile dieser beiden Geschäftsmodelle
Da ich beide Geschäfsmodelle ausprobiert habe, kenne ich die Vor- und Nachteile von beiden. Ich liste nachfolgend nur die wichtigsten auf. Sollten Sie dazu Fragen haben, hinterlassen Sie mir gern einen Kommentar.
Shoot and Burn
Vorteile
Sehr schnelle Bearbeitungszeit
Wie das Geschäftsmodell schon sagt “Shoot” für fotografieren und “Burn” für brennen (entwickeln). Der Fotograf fotografiert die Bilder und stellt die entwickelten Bilder digital zur Verfügung. Deshalb braucht der Fotograf nicht viele extra Schritte unternehmen, wie weitere Treffen mit dem Kunden oder ist auch nicht abhängig von den Fotolaboren, braucht die Produkte auch nicht zu kennen. Aus diesem Grund hat er die Zeit selbst in der Hand, kann fotografieren und je nachdem, wie lange er die Bilder bearbeitet, direkt ausliefern.
Geringere Kosten
Für den Fotografen fallen viel geringere Kosten an. Natürlich braucht er auch sein Equipment und die Software, aber er investiert viel weniger Arbeitszeit und spart sich die Ausdrucke und die Kosten für die Muster.
Nachteile
Mehr Arbeit/weniger Einkommen
Shoot-and-Burn-Fotografen haben normalerweise einen niedrigen Preis und bieten viele Bilder an. Das heißt, dass dieser Fotograf mehr Fotosessions haben muss, um das gewünschte Einkommen zu erarbeiten. Wenn man mehr fotografiert, muss man auch mehr Fotosessions bearbeiten.
So ist es mir auch in den ersten Jahren ergangen. Ich wollte so viel verschiedene Fotografiearten wie möglich ausprobieren, um herauszufinden, was mir besonders liegt. Außerdem erwarteten meine Kunden von mir, dass ich viele Bilder liefere (das dachte ich damals zumindest). Ich saß Stunden am Computer, um all die vielen tollen Fotos zu bearbeiten, denn für mich war dann doch die Qualität der Bearbeitung wichtig.
Viele Shoot und Burn Fotografen sind sehr erfolgreich mit diesem Geschäftsmodell. Manche, die schon länger erfolgreich mit diesem Modell arbeiten, verlangen auch höhere Preise, denn sie bewerten die Qualität ihrer Arbeit anders.
Minimale Zusammenarbeit mit dem Kunden
Die typischen Shoot-and-Burn-Geschäftsmodelle beinhalten ein einziges Treffen mit dem Kunden, und zwar während der Fotosession. Ansonsten telefoniert man oder schreibt Emails. Die Zeitinvestition für den Fotografen ist sehr gering. So hat man als Fotograf viel Zeit für viele Shootings: einfach fotografieren und direkt digital liefern.
Als ich mein Geschäft 2013 eröffnet habe, habe ich an einem Tag fotografiert und spätestens nach 2 Tagen hatten meine Kunden die digitalen Fotos.
Mittlerweile betrachte ich diese Arbeitsweise als Abfertigung, da der Service fehlt.
In Person Sales
Vorteile
Enger Kundenkontakt
Mir ist aufgefallen, dass während der Zeit, als ich nur digitale Dateien anbot, der Kundenkontakt und auch der Kundenservice viel zu kurz kamen. Ich konnte keine Beziehung zu meinen Kunden aufbauen, die für mich heutzutage so wichtig ist, um authentische Fotos zu machen. Ich war immer sehr höflich, antwortete direkt auf Email-Anfragen, lieferte die Bilder sehr schnell und freundete mich sogar mit manchen Kunden an. Aber irgendetwas fehlte mir.
Heute treffe ich meine Kunden vor dem Shooting in meinem Studio oder bei ihnen zuhause. Falls sie weiter weg wohnen, skypen wir oder telefonieren. Während dieses ersten Termins besprechen wir die Details wie Kleidung, Location, welche Personen fotografiert werden, den Grund für das Shooting, was sie mit den Bildern machen möchten und evtl. auch noch die Endprodukte. Dieser Termin gehört zu meinem Service und ist kostenlos, auch wenn die Kunden mich danach nicht buchen. Das ist völlig okay, denn die Chemie sollte bei einem Fotoshooting stimmen. So ist das Geschäft.
Besserer Umsatz
Durch den Verkauf von Fotoprodukten macht ein Fotograf mehr Umsatz.
Die meisten Fotografen, die auch Fotoprodukte anbieten, haben Bilder und Alben in verschiedenen Größen, die sie ihren Kunden zeigen können. Das inspiriert die Kunden mehr, ähnliche Fotoprodukte zu kaufen.
Weniger Kunden, da zeitaufwendig
Ich treffe meine Kunden normalerweise 3 bis 4 Mal (Beratung, Session, Bildauswahl und Bestellung, Lieferung). Dies umfasst mindestens vier Stunden an Zeit, ohne auch nur die Zeit der Anreise, Bearbeitung, Vorbereitung, Verpackung, etc. mitzurechnen.
In die Kalkulation eines Fotografen gehen bestimmte Faktoren ein: die Zeit, die teure Software für die Bearbeitung und Bestellung, auch kommen die Studiokosten hinzu, die Aus- und Weiterbildung, das vielseitige Foto- und Licht-Equipment, Hintergründe, etc.
Nachteil
Risiko von weniger Verkauf
Keiner meiner Kunden ist verpflichtet, Fotoprodukte zu kaufen. Auch beim kleinsten Paket habe ich meine Kosten so berechnet, dass das Shooting-Honorar eingerechnet ist. Manche Geschäftsmodelle haben einen Mindestbestellwert, aber das mag ich nicht. Mein Job ist es, meine Kunden zu fotografieren und den besten Service zu geben, der möglich ist. Wenn sie wieder gehen, ohne ein Bild zu kaufen, dann ist das auch ok, was bei mir allerdings noch nie vorgekommen ist.
Warum ich zu In Person Sales überging
Ich habe sehr viel Zeit zum Bearbeiten der vielen Bilder an meinem Schreibtisch verbracht. Dies war nicht das, was ich eigentlich wollte. Meine Familie steht an erster Stelle, und ich möchte für sie da sein. Mein Sohn war gerade in der 4. Klasse und brauchte mich zur Unterstützung mit seinen Hausaufgaben und zum Spielen. Außerdem besuchte ich jedes Jahr die Imaging USA, die größte Foto-Convention in den USA. Dort sah ich all die tollen Fotopapiere, Rahmen, Wandbilder, Alben, Boxen, etc.
All diese tollen Fotoprodukte kann man als Laie in diesem Umfang nicht kennen, und deshalb finden die Kunden auch oft nicht selber heraus, was sie mit ihren Fotos machen können. Dazu kommt, dass wenn man kein Experte auf diesem Gebiet ist und wenn man die die Auflösung und Möglichkeiten der Technik nicht einschätzen kann, die gewünschte Qualität der Fotoprodukte letztendlich auch nicht erreicht wird. Aus diesem Grund sollten diese Fotoprodukte von professionellen Fotografen bestellt werden. Nach dem Wechsel zum In Person Sales achtete ich auf eine bessere Qualität, so dass ich für die Bearbeitung der Fotos schon mehr Zeit benötige, ich aber durch die Reduzierung der Bilder weniger Zeit in die Bearbeitung investieren muss.
Meine Entwicklung zum In Person Sales
Begonnen hat alles mit meinem Mentor, Steve Kozak, den ich bei der Imaging USA kennengelernt habe. Als ich ihn buchte, wusste ich, dass er mir mein Geschäft grundsätzlich umkrempeln würde. Begonnen hat dies sofort mit meinen Preislisten und meiner Arbeitsweise. Er öffnete mir die Augen wie ich meine Zeit für mein Geschäft kalkulieren muss, um davon leben zu können.
Plötzlich war mir klar, dass ich mich die ganze Zeit unter Wert verkauft habe. Obwohl ich die ersten zwei Jahre der Selbständigkeit mein Geschäft in den USA nur aus Spaß betrieb, war es doch ein Geschäft. Ich berechnete 180 USD für ein Fotoshooting inklusive 20-30 Dateien. In jedes Fotoshooting investierte ich ca. 10 Stunden Arbeit. Das heißt, am Ende zahlte ich fast noch drauf.
Steve kalkulierte mit mir jeden einzelnen Preis, damit ich meine Geschäftskosten decken konnte. Damit ich meinen Kunden die Aufmerksamkeit schenken kann, die ihnen zusteht, musste ich die Menge an Kunden reduzieren.
Ich habe mit der Zeit herausgefunden, dass jeder Kunde eine tolle Fotoshooting-Erfahrung machen möchte, je nachdem, welche Art von Fotografie er wünscht. Meinen Kunden ist es wichtig, „betreut“ zu werden, um das bestmögliche Ergebnis zu erhalten.
Die Umsetzung des In Person Sales in meinem Geschäft
In den USA sowie auch in Deutschland gibt es beide Geschäftsmodelle. Durch meinen Mentor, Steve, habe ich in den USA gelernt, meine Geschäftskosten zu kalkulieren und 100 %ig zu meinem Produkt, die auf jede Person individuell abgestimmte Fotosession, zu stehen. Aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, dass nur das Geschäftsmodell des In Person Sale für mich auch in Deutschland in Frage kommt.
Seit meiner Einführung des In Person Sales, bei dem ich super viel Angst hatte, dass ich keine Kunden mehr finden würde, da ich die Preise drastisch erhöht habe, buchten mich plötzlich anspruchsvollere Kunden. Durch das Veröffentlichen dieser Preise auf meiner Website blieben Anfragen für digitale Dateien zu günstigen Preisen aus. Und nicht nur, dass mich diese hochwertigeren Kunden buchten, nein, ich bekam sogar mehr Anfragen für meine Fotografie. Mit Hilfe von Steve lernte ich, zu meinen Preisen zu stehen und so trat ich dem Kunden gegenüber professioneller auf. Natürlich bot ich einen ganz anderen Service im Vergleich zum Shoot and Burn Modell. Ich verbrachte plötzlich viel mehr Zeit mit meinen Kunden und die Kunden wussten das zu schätzen und waren mir dafür auch sehr dankbar. Vom ersten Kontakt bis hin zum Aufhängen der Wandbilder bot ich nun einen Rundum-Service.
In den USA war ich ziemlich verwöhnt, was die Fotolabore angeht. Dort gibt es zum Beispiel Fotolabore, die ihre Produkte fast ausschließlich für Fotografen anbieten. Als Privatperson kann man dort zwar auch bestellen, allerdings zu anderen Konditionen. Die Preise für Fotoprodukte sind in den USA um einiges höher, z. B. kostet dort ein 20×30 cm Foto 4,50 USD und in Deutschland in derselben Qualität nur 1,20 bis 2 Euro. Auch diese Kosten fließen natürlich in die Preisgestaltung mit ein.
Wie ich das Geschäftsmodell des In Person Sales nach meiner Rückkehr nach Deutschland anwende
Im Juli 2017 zogen wir zurück von den USA nach Deutschland. Hier angekommen, war plötzlich alles neu. In den USA kannte ich meine Zulieferer, Fotolabore, Fotogeschäfte, etc., die dort höchste Qualität liefern. Ich hatte Kontakt zu anderen professionellen Fotografen, mit denen ich mich ausgetauscht habe.
In Deutschland begann ich mein Netzwerk von Null. Begonnen mit den Fotolaboren, die nicht dasselbe Angebot wie in den USA haben, Geschäftskontakte, die man zum Austausch benötigt, den Fotografen, mit dem man sich austauschen kann, bis hin zu privaten Kontakten, alles fehlte mir plötzlich.
Ich bot also in Deutschland ab der Eröffnung meines Fotostudios im August 2017 das Geschäftsmodell des In Person Sales an. Ich richtete mein Studio entsprechend ein: es gibt u.a. einen extra Raum mit großem TV, in dem meine Kunden ein Erstgespräch mit mir führen und später ihre Bilder auswählen können. Mein Kundenstamm wächst seit der Eröffnung: erst sehr langsam, aber es wird immer besser. Natürlich hilft mir dabei auch das Google Ranking. Denn die jüngeren Leute, die einen Fotografen in der Region suchen, suchen als erstes über Google und finden mich. Alle meine neuen Kunden freuen sich über den besonderen Service des In Person Sales und sie merken wie ich mit Leidenschaft meinen Beruf als Fotografin ausübe. Aus diesem Grund kommen die Kunden für weitere Fotoshooting zurück.
Z. B. hatte ich gerade ein Bewerbungsshooting mit Bärbel gehabt. Sie war total glücklich über ihre Fotos und rief mich an, dass sie gern ein weiteres Fotoshooting buchen möchte mit ihrer Freundin zusammen. Außerdem ist sie an meinen Workshops interessiert, die ich bis Dezember für Einsteiger in die digitale Fotografie gegeben habe. Ich freu mich immer sehr über solche Rückmeldungen. Die Kunden schätzen den Service rund um meine Fotografie.
Ein gelungener Neuanfang in einer fremden Umgebung
Es ist ein langer Prozess bis sich ein Geschäft in einer neuen Region etabliert hat. Ich denke, dass es auf dem Land noch viel schwieriger ist, denn hier wird man fast ausschließlich durch Mundpropaganda bekannt. Die Leute vertrauen niemandem, den sie nicht empfohlen bekommen haben. Die Konkurrenz ist sehr groß in der Fotografie. Da es in dieser Branche nicht notwendig ist, eine Ausbildung nachzuweisen, ist es jedem Hobbyfotografen ein Leichtes, seine Dienste anzubieten, ob gut oder schlecht. Nach noch nicht einmal zwei Jahren kann ich sagen, dass ich für mich als Neuzugang hier in der Region schon sehr viel erreicht habe. Darüber bin ich sehr glücklich.
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